XVI. Für ein Europa der Menschen statt der Banken und Konzerne
Die Europäische Union ist in einer grundlegenden Krise. Die soziale Ungleichheit ist gewachsen, Reichtum und Armut explodieren. Die Militarisierung wird vorangetrieben. Die neoliberale Politik der Konkurrenz und Austerität hat zu Massenerwerbslosigkeit geführt und in Südeuropa eine verlorene Generation hervorgebracht. In der ganzen EU ist es fast ein Viertel, in Italien, Spanien, Griechenland sind es 40 bis 60 Prozent der jungen Menschen, die keine Arbeit finden. In dieser EU hat die Wettbewerbsfähigkeit im Interesse der Profite von Banken und Konzernen Vorrang vor den Interessen der Bevölkerung. Die »Rettung« Griechenlands war zu über 90 Prozent eine Finanzierung von reichen Gläubigern und Bankprofiten, nicht zuletzt deutscher Banken. Die Durchsetzung von neoliberalen Handelsabkommen wie TTIP und CETA gegen den Willen von hunderttausenden Menschen oder die Erpressung Griechenlands, die verheerende neoliberale Kürzungspolitik fortzusetzen, zeigt: Wenn die Menschen eine andere Politik wollen, wird die Demokratie als Wettbewerbshindernis beiseite geschoben. Das Ergebnis: Diese EU und dieses Projekt der europäischen Integration verlieren bei den Menschen an Vertrauen.
Viele Menschen in Europa fühlen sich zunehmend abgehängt. Dies wird von der politischen Rechten ausgeschlachtet, um die Menschen gegeneinander auszuspielen und den Kontinent zu polarisieren.
Die Krise der EU heute ist vor allem eine soziale Krise. Ganze Regionen, Industrien und Wirtschaftssektoren wurden in den Ruin getrieben. Dies hat sich infolge der Flucht- und Migrationsbewegungen zugespitzt. Nationalistische Töne in öffentlichen Debatten nehmen zu. Neben der linken, sozialen Kritik am neoliberalen Projekt EU nimmt auch eine von dumpfem Nationalismus und irrationalen Ängsten gespeiste Kritik von rechts zu. Wahlerfolge rechter, rechtsextremer und faschistischer Parteien in zahlreichen Ländern sind ein Ausdruck dieser politischen Krise. Spätestens mit dem »Brexit«-Referendum in Großbritannien ist offenbar geworden, dass die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU ganz real ist. Es sind diese unsoziale und undemokratische EU und die Politik ihrer Mitgliedsstaaten, die autoritären Kräften, Rassismus und Nationalismus Auftrieb geben. Europa kann durch Demokratie und soziale Gerechtigkeit verändert werden – andernfalls besteht die Gefahr, dass rechte Parteien und Populisten Europa nach ihrem Bild verändern.
Wer den Rechtsruck in Europa stoppen will, muss sich für einen grundlegenden Politikwechsel gerade in Deutschland einsetzen. Die deutsche Regierung spielt eine zentrale Rolle dabei, die Europäische Union weiter zum Wettbewerbsraum umzubauen. Standortkonkurrenz, Druck auf die Löhne und den Sozialstaat, Freihandel und Aufrüstung sind weder im Interesse der Menschen in Deutschland noch der Menschen im restlichen Europa. Die einseitige Exportorientierung vor allem der deutschen Wirtschaft führt zu Deindustrialisierung, Verschuldung und Massenerwerbslosigkeit in weiten Teilen der EU. Sie geht auch zu Lasten der Beschäftigten in Deutschland: Die Folge sind prekäre Arbeit, Niedriglohn und Dauerstress. DIE LINKE kämpft daher für einen Politikwechsel in Deutschland und eine andere Wirtschaftspolitik – für höhere Löhne, Umverteilung des Reichtums und öffentliche Investitionen, für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Nur so kann die tiefe Krise in Europa überwunden werden.
Der deutsche Exportüberschuss führt zur Verschuldung anderer Länder. Die neoliberale Konstruktion des Euros nützt vor allem der deutschen Exportindustrie und internationalen Großkonzernen, während Europa wirtschaftlich und sozial gespalten wird. Die Politik von Troika, Merkel und Co. zerstört die Gemeinschaftswährung. Auch die Währungsunion muss radikal reformiert werden, oder sie wird mit unabsehbaren Folgen zerbrechen. Voraussetzung dafür ist eine andere deutsche Wirtschaftspolitik und ein Ende der Austerität. Dies ist möglich, indem mit der deutschen Hegemonie in der EU gebrochen wird und eine demokratische EU, die aus gleichberechtigten Partnern besteht, entsteht. Wir lehnen alle Bestrebungen ab, Euro-Länder, die die neoliberale Politik beenden wollen, mit der Drohung eines Ausschlusses aus der Eurozone zu erpressen.
DIE LINKE will einen Neustart der Europäischen Union. Die Verträge von Maastricht und Lissabon haben den Neoliberalismus in die Grundlagen der EU eingeschrieben. Wir brauchen eine grundsätzliche soziale und demokratische Alternative zu dieser neoliberalen EU: mit neuen Verträgen, neuen Strukturen, neuen Hoffnungen.
Wir wollen DIE LINKE europäische Idee von sozialer Gerechtigkeit, Humanismus und internationaler Solidarität vor ihrer Zerstörung durch die neoliberale Politik der EU bewahren. Nur so kann Europa, kann eine soziale, demokratische EU eine wirkliche und dauerhafte Antwort auf die jahrhundertelange Geschichte von Kriegen und Gewaltherrschaft in Europa sein – insbesondere dem verbrecherischen Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus. Ein Scheitern der EU würde dem Nationalismus und Rassismus in Europa weiteren massiven Auftrieb geben.
Eine Verbesserung demokratischer und sozialer Standards wird es im 21. Jahrhundert in Europa nur auf der Grundlage des solidarischen Miteinanders geben. Diese feste Überzeugung teilen wir mit vielen Menschen, die sich für die europäische Integration einsetzen. Wir wollen den Neustart der Europäischen Union durch eine Initiative für ein Europa von unten.
In allen Mitgliedsstaaten muss über die neuen Verträge in Volksabstimmungen entschieden werden. Wir wollen die Finanzmärkte entmachten und den europäischen Bankensektor demokratisch kontrollieren. Im Vordergrund stehen für uns die Interessen der Menschen in Europa, nicht Kapitalinteressen einzelner Länder oder ein Währungssystem. Wir wollen mit der neoliberalen Wettbewerbspolitik brechen. Wir wollen die Binnennachfrage stärken und die Spekulation zurückdrängen. DIE LINKE setzt sich auf allen politischen Ebenen dafür ein, dass bei den Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU: 1. der Schutz des Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit gewahrt bleibt, damit britische Staatsbürger weiterhin das Recht haben, in EU-Mitgliedstaaten zu arbeiten und gleichzeitig Bürger von Mitgliedsstaaten der EU in Großbritannien arbeiten können. 2. das Bleiberecht von britischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in EU-Mitgliedsstaaten sowie das Bleiberecht von Bürgern aus EU-Mitgliedsstaaten in Großbritannien gewahrt bleibt.
Die EU kann durch Bewegung von unten, ein Aufstehen der Menschen in Europa für Demokratie und soziale Gerechtigkeit, verändert werden. Bereits früher konnten durch den Druck von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen neoliberale Vorstöße zur Privatisierung der Wasserversorgung (2014) und die sogenannte Bolkestein-Richtlinie (2006) zur Liberalisierung von Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt verhindert werden. Nur so werden wir auch TTIP, CETA und TiSA verhindern. DIE LINKE steht an der Seite der Gewerkschaften und ist Teil der sozialen Bewegungen. Wir werden in Deutschland und in Europa gemeinsam mit unserer Fraktion im EU-Parlament sowie unseren Schwesterparteien in der Europäischen Linken (EL) weiter dafür kämpfen, dass die Interessen der Menschen Vorrang vor Profit und Wettbewerb haben. DIE LINKE ist solidarisch mit den linken fortschrittlichen Kräften in Europa, die ein soziales und solidarisches Europa anstreben.
Austerität für die unten, Profite für die oben? Die Macht der Banken und Konzerne brechen!
Wir wollen die Kürzungsdiktate in Europa, die besonders von Deutschland vorangetrieben werden, beenden. Es müssen sofort wirksame Schritte gegen Massenerwerbslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit der Jugend in den Krisenländern eingeleitet werden. Die Löhne in Deutschland müssen steigen, den deindustrialisierten Regionen in der EU müssen alternative Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden.
- Daher fordert DIE LINKE ein öffentliches europäisches Investitionsprogramm, das vor allem auf Entwicklung im Bereich öffentlicher und sozialer Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Pflege, Verkehr und Wohnen sowie auf einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft setzt. Zur Finanzierung wollen wir in allen EU-Staaten eine einmalige Vermögensabgabe auf Vermögen über einer Million Euro erheben.
- Wir wollen die öffentliche Kreditaufnahme vom Finanzmarkt abkoppeln: Die EZB soll den Euro-Staaten in festgelegtem Rahmen direkt leihen dürfen. Dabei sollen nicht nur Preisstabilität, sondern auch nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Vollbeschäftigung berücksichtigt werden. Dies wäre als erster Schritt über öffentliche Banken wie die Europäische Investitionsbank sowie nationale Förderbanken möglich. Wir wollen eine öffentliche europäische Ratingagentur schaffen. Ratings von privaten Agenturen dürfen nicht Gegenstand von verbindlichen Regeln der EU sein.
- Investitionsprogramme wie der Juncker-Plan der EU fördern die Privatisierung von Autobahnen, Krankenhäusern und öffentlicher Daseinsvorsorge. Wir wollen öffentliche Investitionen in der EU fördern, statt mit öffentlichen Geldern private Investitionen und private Renditen abzusichern.
- Wir wollen den europaweiten Ausbau öffentlicher und ökologisch sinnvoller Infrastruktur und den Ausbau regenerativer Energien gezielt fördern.
- Keine Bankenrettung auf Kosten der Gesellschaft! Die Eigentümer und Gläubiger müssen für die Banken haften. Die Einlagen von Kleinsparerinnen und Kleinsparern müssen öffentlich abgesichert werden (vgl. Kapitel XIV »Menschen und Natur vor Profite«). Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürfen nicht für Mega-Banken haften.
- Wir wollen eine europäische Schuldenkonferenz, bei der die Staatsschulden auf ihre Legitimität und ihre Tragbarkeit geprüft und Lösungen gefunden werden, die den am stärksten verschuldeten Ländern einen Ausweg aus der humanitären Katastrophe und den Pfad zu einer nachhaltigen Entwicklung eröffnen.
- Wir setzen uns für einen Schuldenschnitt für Griechenland ein. Die Bundesregierung muss endlich in Rechtsnachfolge des Nazi-Regimes die erpressten Kredite beim griechischen Staat begleichen und Reparationen für begangene Kriegsverbrechen zahlen.
- Wir wollen den Unterbietungswettbewerb – welches Land bietet dem Kapital die niedrigsten Steuern, Löhne und Sozialleistungen – unterbinden. Wir kämpfen für Mindeststandards und eine abgestimmte Besteuerung der Superreichen in Europa. Wir wollen, dass Lohndumping in der EU gestoppt wird. Lohn-, Steuer- und Sozialpolitik müssen in diesem Sinne aufeinander abgestimmt werden. DIE LINKE kämpft für einen europäischen Mindestlohn, der bei 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns liegen muss.
- Wir lehnen die Kapitalmarktunion ab, mit der die Kapitalmärkte der Mitgliedsstaaten stärker miteinander verkoppelt werden.
- DIE LINKE fordert gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Klausel für sozialen Fortschritt in den EU-Verträgen. Soziale Grundrechte und die Tarifautonomie müssen Vorrang vor der Binnenmarktfreiheit haben. Sozialstaatlichkeit muss in den EU-Verträgen neben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geschützt werden.
In der Euro-Krise wurde offensichtlich: Wir brauchen Mechanismen gegen die Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen. Die Exportüberschüsse der einen sind notwendig die Schulden der anderen. So kann kein soziales Europa entstehen. Wir wollen die Staaten auf ausgeglichene Handelsbilanzen verpflichten. Das ist im Interesse unserer europäischen Nachbarn. Und es ist im Interesse der Menschen in Deutschland, weil die Löhne steigen und die Wirtschaft stärker auf Nachfrage im Inneren statt auf Spekulation ausgerichtet wird.
- Wir wollen Steuerflucht bekämpfen und Steueroasen austrocknen: durch automatische Meldepflichten für Banken, die Möglichkeit, verdächtige Guthaben einzufrieren, Entzug von Banklizenzen für nicht kooperierende Banken, verbesserte Strafverfolgung von Steuerhinterziehung und durch Kapitalverkehrskontrollen.
- Die Kreditaufnahme der Staaten, zunächst derjenigen im Euro-Verbund, muss durch eine gemeinsame Haftung abgesichert werden, um zu verhindern, dass mit den Schulden der Länder spekuliert wird und die Verzinsung in nicht mehr bezahlbare Höhen getrieben wird. Die bestehenden Regelungen der Finanzaufsicht des Europäischen Stabilitätsfonds sind entsprechend anzupassen.
Die Regierenden der EU nutzen die Verhandlungen der Freihandelsverträge TTIP, CETA und TiSA, um Rechte der Beschäftigten und den Verbraucherschutz weiter zu schleifen. Fiskalpakt und Troika schaffen weitere Eingriffsmöglichkeiten in die Entscheidungen gewählter Volksvertretungen.
- TTIP, CETA, TiSA und EPAs stoppen! In der Handelspolitik werden wir uns weiter allen Handels- und Investitionsabkommen widersetzen, die Verschlechterungen der Rechte der Beschäftigten, im Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutz und beim Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der Förderung von Kulturgütern bedeuten. DIE LINKE setzt sich daher für eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen weltweit ein.
Eine EU, in der die Parlamente entscheiden
Statt einer im Kern undemokratischen EU wollen wir die Institutionen der EU grundlegend demokratisieren und damit einen Neustart für die Demokratie in Europa ermöglichen. Wir wollen die Rechte des Europaparlaments stärken. Unter den gegebenen Bedingungen dürfen keine weiteren Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert werden, die zu einer Verfestigung der neoliberalen EU führen können.
Es muss der Grundsatz der Subsidiarität gelten: Das stellt sicher, dass politische Entscheidungen in der EU so bürgernah wie möglich getroffen werden. Entscheidungen sollen auf den Ebenen getroffen werden, die am stärksten davon betroffen sind: kommunale Angelegenheiten in den Kommunen und bundesweite Angelegenheiten in den nationalen Parlamenten. Grundlegende Entscheidungen in der EU müssen vom Europaparlament und den nationalen Parlamenten getroffen werden statt von nicht-legitimierten Gremien wie der EU-Kommission oder dem Rat.
- Das Europäische Parlament muss das Initiativrecht bekommen.
- Im Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion soll das EP gleichberechtigt zu Rat und Eurogruppe entscheiden können.
- Die Abgeordneten sollen die Kommission und ihren Präsidenten wählen und abwählen können.
- Die Hürden für Europäische Bürgerinitiativen müssen gesenkt werden.
- Alle sollen in den EU-Staaten, in denen sie leben, volle bürgerliche Rechte genießen können.
- Wir wollen ein verpflichtendes und verbindliches Lobbyregister. Lobbyisten, die Einfluss auf Politik nehmen, sollen registriert werden.
- Die EZB muss unter demokratische Entscheidungen und Kontrolle des Europäischen Parlaments gestellt werden, statt »unabhängig« von diesem zu sein und über der Demokratie zu stehen. Die EZB muss neben der Preisstabilität gleichrangig auf wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung verpflichtet werden.
- Wir lehnen die Entmachtung der Parlamente und Eingriffe in die Tarifautonomie durch eine Euro-Wirtschaftsregierung ab.
- Wir wollen EU-weite Volksbegehren und Volksentscheide ermöglichen.
- Die EU muss der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Soziale Grundrechte – entsprechend der revidierten Europäischen Sozialcharta des Europarates – müssen von einzelnen Personen auch beim Europäischen Gerichtshof einklagbar sein.
- Wir wollen europaweite öffentlich-rechtliche Medien und Plattformen und einen gleichberechtigten Zugang dazu für alle demokratischen politischen und sozialen Kräfte und Bewegungen.
- Wir wollen die Grundrechte in Europa stärken: Keine verdachtsunabhängige Datenspeicherung und kein Profiling. Unter dem Vorwand der Sicherheit und des Kampfes gegen den Terrorismus werden Überwachungstechnik und Datensammlung ausgebaut und die Freiheitsrechte ausgehöhlt, die man zu verteidigen vorgibt. Wir brauchen einen starken europäischen Datenschutz, damit der Datenschutz in Deutschland besser funktioniert. Im europäischen Haftbefehl und der europäischen Ermittlungsanordnung muss das Recht auf anwaltliche Unterstützung und Übersetzung gesichert werden.
Eine EU, die gute Arbeit und soziale Rechte schafft
- Das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« muss rechtlich verankert werden, um Lohndumping zu unterbinden.
- Wir streiten für einen europäischen Mindestlohn in Höhe von mindestens 60 Prozent des Durchschnittsentgelts des jeweiligen Landes.
- Mitbestimmungsrechte und Rechte von Gewerkschaften und Beschäftigten müssen wiederhergestellt und ausgebaut werden.
- Arbeitsinspektionen auf europäischer Ebene müssen personell besser und mit unabhängigen Kontrollrechten ausgestattet werden.
- Wir wollen soziale Sicherheit mit verbindlicher sozialer Mindestsicherung und verbindlichen sozialen Mindeststandards nach der Günstigkeitsklausel.
Das Freizügigkeitsrecht in der EU muss für alle gelten. Ungleiche Lebensverhältnisse und die hohe Arbeitslosigkeit in Süd- und Osteuropa zwingen insbesondere junge Menschen zur Abwanderung und untergraben echte Freizügigkeit. Wir sind gegen den Ausschluss von Arbeit suchenden Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern aus der Sozialhilfe. Stattdessen sollen sie dabei unterstützt werden, eine gute Arbeit zu finden. Die Alternative sind Armut, Verelendung und Ausbeutung.
Gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen
EU-Programme – wie der Kohäsionsfonds, der Sozialfonds, Fonds für ländliche Entwicklung, der Fischereifonds und der Fonds für regionale Entwicklung – haben in den Mitgliedsstaaten, ihren Regionen und Kommunen den Ausbau von technischer und sozialer Infrastruktur befördert. Doch trotz dieser wichtigen Beiträge waren sie nicht ausreichend, um die ungleiche Entwicklung der Wirtschaft zu korrigieren und über Grenzen hinweg vergleichbare Lebensbedingungen zu schaffen. Daher müssen diese Fonds deutlich gestärkt werden, statt von Kürzungen bedroht oder zur Durchsetzung neoliberaler politischer Vorgaben missbraucht zu werden. Das von uns geforderte Europäische Investitionsprogramm soll diese Fonds nicht ersetzen, sondern ergänzen: als Bestandteil für einen sozialen Neustart der EU.
- Die Kohäsionspolitik muss auch ab 2021 weitergeführt werden und insbesondere südeuropäische Länder der EU fördern.
- Der Europäische Sozialfonds zur Förderung der Beschäftigungspolitik des sozialen Zusammenhalts muss weiterentwickelt werden.
- Der Europäische Globalisierungsfonds (EGF) soll Beschäftigten helfen, wenn sie aufgrund von Globalisierungsfolgen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Er muss auch Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten zugänglich gemacht werden und zu einem Beschäftigungssicherungsfonds ausgebaut werden.
- Das INTERREG-Programm muss zur Förderung grenzüberschreitender Kooperation weiterhin Unterstützung erhalten.
- Die Mittel der EU-Agrarförderung wollen wir im Sinne einer linken Agrarpolitik nutzen, um die Exportorientierung zu beenden und ökologische Nachhaltigkeit, regionale Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung stärker zu fördern.
Keine Europäische Union der Aufrüstung und Militarisierung
Die Mitgliedsstaaten der NATO haben sich verpflichtet, jährlich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Aufrüstung und Kriegsfähigkeit zu investieren. Die Antwort auf die Wahl von Trump zum Präsidenten der USA und das »Brexit«-Votum der britischen Bevölkerung sind auch in der EU Pläne zu weiterer Aufrüstung mit dem Ziel einer »strategischen Autonomie«. Gemeint sind: eine europäische Armee, finanziert und geführt von der Europäischen Union. Ein gemeinsamer Rüstungsmarkt soll geschaffen und die Rüstungsindustrie europäisiert werden. Der Binnenmarkt für Verteidigungsgüter soll gestärkt werden. Dafür werden auch Förderungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus den Fördertöpfen der EU geprüft.
Auf die wirtschaftlichen und sozialen Zerfallsprozesse in der EU folgen militärische und sicherheitspolitische Integrationspläne. Wirtschaftliche Entwicklung wird als Rüstungsförderung betrieben. Der Ausbau einer »Verteidigungsunion« oder »Militärunion«, die Schaffung einer europäischen Armee und andere Vorhaben der Militarisierung führen nicht zu mehr Sicherheit für die Menschen in Europa, sondern sichern Konzerninteressen militärisch ab. Wir wollen die Militarisierung der EU beenden. Sicherheit gibt es nur mit konsequenter Friedenspolitik und Förderung globaler Gerechtigkeit statt Standortkonkurrenz.
- Wir wollen die EU-Rüstungsagentur abschaffen.
- Wir setzen uns für ein EU-weites Verbot von Rüstungsexporten ein.
- Unser Investitionsprogramm umfasst auch Mittel für den zivilen Umbau der Rüstungsindustrie. Die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie müssen in ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Arbeitsplätze überführt werden.
- Wir lehnen die Pläne einer europäischen Verteidigungsunion, inklusive einer intensivierten EU-NATO-Kooperation, ab. Die EU muss eine dem Frieden verpflichtete Politik betreiben, und ihre auswärtige Politik ist strikt auf zivile Instrumente zu orientieren.
- Wir wollen den EURATOM-Vertrag auflösen und von den vertraglichen Grundlagen der EU entflechten, denn er blockiert eine transparente, sozial und demokratisch gestaltete Energiewende und den unumkehrbaren Atomausstieg. Wir setzen uns ein für die Einrichtung einer alternativen »Europäischen Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparung«. Wir treten ein für eine Europäische Friedens- und Entspannungspolitik (vgl. Kapitel XV »Nein zum Krieg«).
Sichere Fluchtwege und Schutz der Menschenrechte statt Krieg gegen Flüchtlinge
Es ist mit einem demokratischen und menschlichen Europa nicht vereinbar, dass Tausende von Menschen auf ihrem Weg in ein vermeintlich sicheres Europa im Mittelmeer ertrinken oder in rechtsfreien Räumen in Auffanglagern und Abschiebezentren vor den Grenzen der EU interniert werden. Zur Beseitigung der Fluchtursachen wird ein gemeinsames Agieren der EU-Mitgliedsstaaten benötigt (zu den Fluchtursachen vgl. Kapitel XV »Nein zum Krieg«). Wir streiten für legale und sichere Fluchtwege nach Europa. Dies würde Leben retten und das Geschäft der Schlepper unterbinden. Der aktuelle »Krieg gegen die Schlepper« ist allzu oft ein Krieg gegen Boote voller Flüchtlinge. Repression und Überwachung, Entmündigung und Entrechtung ziehen sich durch die Vorschläge der Europäischen Kommission. Wir brauchen eine humane Asylpolitik und einen ebenso zu definierenden Rahmen für Einwanderung in die EU.
- Fähren statt Frontex! Frontex muss abgeschafft und durch eine koordinierte Seenotrettung in europäischer Verantwortung ersetzt werden.
- Die Finanzierung und Ausbildung der libyschen Küstenwache im Rahmen der Operation EUNAVFOR Med wird eingestellt.
- Die Verantwortung, die Flüchtlinge zu schützen, darf nicht auf Drittstaaten außerhalb der EU übertragen werden. Der von der Kanzlerin vorangetriebene EU-Türkei-Deal muss aufgekündigt werden. Die Pläne, in Nordafrika Auffanglager zu schaffen, lehnen wir ab. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention dürfen Flüchtlinge nicht abgewiesen werden!
- Das EU-Dublin-System ist gescheitert. Wir setzen uns für ein faires und solidarisches System der Flüchtlingsaufnahme und Verantwortungsteilung in der EU ein. Ein Ausgleich soll vor allem finanziell hergestellt werden (»Fluchtumlage«). Wir wollen das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates für die Geflüchteten.
- Die Grenzen der EU müssen für schutzsuchende Menschen offen sein, es muss sichere und legale Fluchtwege geben.