VIII. Gute Bildung. Für alle.
Der Zugang zu Bildung ist in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Wer wohlhabende Eltern hat, hat deutlich bessere Chancen, Abitur zu machen und zu studieren. Bildung ist ein Menschenrecht. Aber für viele Kinder fällt schon nach der Grundschule die Entscheidung, welche Schulform sie besuchen werden und damit auch, welche Türen ihnen künftig verschlossen bleiben. Das deutsche Bildungssystem verschärft die soziale Spaltung der Gesellschaft, statt ihr entgegenzuwirken.
In Bildung wird viel zu wenig Geld investiert. Ein sichtbares Zeichen dafür sind marode Schulen. Durch die Schuldenbremse verschärfen sich diese Probleme. Allein der Sanierungsbedarf bei Schulen wird bundesweit auf 34 Milliarden Euro geschätzt. An den Hochschulen müssten von 2017 bis 2025 ungefähr 35 Milliarden Euro investiert werden, um den Modernisierungsstau abzubauen. Hörsäle und Seminarräume sind häufig überfüllt, und es gibt zu wenig Personal. Der Betreuungsschlüssel von Studierenden und Personal wurde 1980 mit 13 zu 1 festgelegt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat errechnet, dass 56 746 wissenschaftliche Stellen geschaffen werden müssen, um diesen zu erreichen.
Wir kämpfen für mehr Personal in Bildung und Erziehung. Wir wollen die Gebäude sanieren, ausbauen und dem Bedarf anpassen. Wir stellen sozialer Spaltung in der Bildung, Leistungsdruck und Unterfinanzierung eine andere Idee entgegen. Unser Ziel ist, dass alle die gleichen Chancen auf und den gleichen Zugang zu Bildung haben, ein Leben lang. Durch den Zugang zu Bildung sollen soziale Benachteiligungen abgebaut, nicht noch verstärkt werden. Niemand darf ausgegrenzt werden. DIE LINKE setzt sich für ein inklusives Bildungssystem ein, in dem Menschen individuell gefördert werden. Wir wollen gemeinsames solidarisches Lernen statt Konkurrenz und Notendruck. Das Bildungssystem ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie muss ausreichend vom Staat finanziert werden. Privatisierungen – auch von öffentlichen Bildungseinrichtungen – müssen gestoppt und umgekehrt werden.
Wir wollen Lehr- und Lernmittelfreiheit, kostenfreie Verpflegung in Kita und Schule sowie kostenfreie Beförderung von Schülerinnen und Schülern zur Schule. DIE LINKE steht für gute Bildung, die nicht vom Geldbeutel und der Herkunft abhängt.
Kooperation statt Konkurrenz
Die Bildungssysteme sind in den Bundesländern so unterschiedlich, dass ein Umzug zum Problem werden kann. Der im Grundgesetz verankerte Gedanke der gleichwertigen Lebensverhältnisse bleibt auf der Strecke. Einheitliche Standards würden vieles verbessern, stattdessen konkurrieren die Bundesländer miteinander.
Bildungspolitik ist Ländersache, trotzdem müssen Bund und Länder in der Bildung zusammenarbeiten können. Diese Zusammenarbeit ist seit 2006 nicht mehr möglich. Das sogenannte Kooperationsverbot ist ein Hindernis für gleiche und vergleichbare Bedingungen beim Lernen und Lehren. Zwischen den Bundesländern bestehen bei Bildungsinfrastruktur, Bildungsabschlüssen und Bildungswegen große Unterschiede. Die Bundesregierung hat das Kooperationsverbot nur für ihre Prestigeprojekte im Hochschulbereich teilweise aufgehoben. Diese sogenannte Exzellenzstrategie hat zur Folge, dass der Wettbewerb um knappe Finanzmittel zunimmt, die Grundfinanzierung der Hochschulen durch die Länder zurückgeht und Kettenbefristungen im Mittel- und Unterbau der Hochschulen ausufern.
Das ist der falsche Weg! Wir wollen das Kooperationsverbot komplett aufheben und Bildung als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz verankern, damit für alle Kinder und Jugendlichen Bildungsgerechtigkeit hergestellt werden kann.
- Wir wollen Gebäude sanieren, Barrierefreiheit herstellen und die digitale Infrastruktur ausbauen. Das geht nur mit öffentlichen Investitionen.
Wir brauchen mehr Personal in der Bildung. Wir beginnen damit in Wohngebieten mit sozial benachteiligter Bevölkerung. Wir wollen die inklusive Schule.
- Befristete Stellen sind in der Bildung allgegenwärtig, ob an der Hochschule, in der Weiterbildung oder indem Lehrerinnen und Lehrer vor den Sommerferien entlassen werden. Die Sonderregelungen für Befristungen an den Hochschulen müssen beendet werden. Wir wollen unbefristete Beschäftigung als Regel. Ausnahmen müssen auf wenige sachliche Gründe beschränkt bleiben (z.B. Elternzeitvertretung).
- Standards in der Bildung sollen bundesweit vergleichbar sein. Mit einem Bildungsrahmengesetz wollen wir Standards der Lehr- und Lernbedingungen (Personal und Ausstattung) festlegen. Dabei soll die Vergleichbarkeit der Ansprüche an Bildungsarbeit und nicht der Leistungsbemessung von Schülerinnen und Schülern im Vordergrund stehen.
Ungleiche Chancen und Lebensläufe werden auch über Bildung organisiert und zugewiesen. Eine frühe Einteilung in unterschiedliche Schulformen befördert das. An den Hochschulen hat sich diese Entwicklung in den letzten Jahren noch verstärkt: durch Leistungsdruck und ständiges Abprüfen von Wissen. Auch in der Schule und in der Ausbildung ist der Alltag oft stressig. Konkurrenz wird schon früh geübt. Damit soziale Ungleichheit zurückgedrängt statt verstärkt wird, wollen wir eine Gemeinschaftsschule, in der länger gemeinsam gelernt wird.
Klasse Kitas
Allen Kindern muss von Anfang an ganztägig das gemeinsame Leben und Lernen mit anderen Kindern in Kindertageseinrichtungen ermöglicht werden. Unabhängig davon, ob und wie lange die Eltern arbeiten. Solche Bedarfsprüfungen lehnen wir ab. Dafür brauchen alle Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in einer Kita. Derzeit fehlen aber fast 300.000 Plätze, die nötig wären, um den aktuellen Bedarf zu decken. Zur Sicherung der Qualität der Einrichtungen und für den weiteren Ausbau von Kitaplätzen muss der Bund mehr Geld zur Verfügung stellen. Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz, das beim Kitaausbau die Belange der Kinder und der Beschäftigten in den Mittelpunkt rückt:
- DIE LINKE fordert einen bundesweit einheitlichen Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten von mindestens einer anwesenden Erzieherin oder einem Erzieher zu maximal drei Kindern im Alter bis zu drei Jahren und mindestens einer Erzieherin oder einem Erzieher zu maximal acht Kindern ab drei Jahren.
- Wir wollen gebührenfreie Kitas (Elternbeitragsfreiheit) und kämpfen für die Abschaffung jeglicher Gebühren im öffentlichen Bildungssystem. Die Umstellung auf eine Kitaversorgung ohne Kosten für die Eltern darf dabei nicht auf Kosten der Qualität der Bildungsarbeit an den Einrichtungen geschehen.
- Alle Kinder sollen täglich kostenloses, gesundes, warmes Essen erhalten, wie es in einigen Städten bereits praktiziert wird.
- Wir brauchen dringend mehr Erzieherinnen und Erzieher für eine gute Bildung, Erziehung und Betreuung.
- Sozial- und Erziehungsberufe müssen aufgewertet werden. Sie verdienen größere Wertschätzung: bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch die Anrechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten, Fortbildung und Krankheit auf den Betreuungsschlüssel. Wir wollen die Ausbildung als Erzieherin und Erzieher in der frühkindlichen Bildung auf Hochschulniveau anheben. Aber auch für Frauen und Männer ohne Hochschulzugangsberechtigung wollen wir attraktivere Berufsbilder in der Kindertagesbetreuung schaffen. Das beginnt mit einer Vergütung in der Ausbildung und der Abschaffung des Schulgeldes.
Eine Schule für alle
Wesentliche Ursache der sozialen Spaltung in der Bildung ist die frühe Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in unterschiedliche Schulformen.
- Wir wollen eine Schule für alle: eine Gemeinschaftsschule, die kein Kind zurücklässt und sozialer Ungleichheit entgegenwirkt. Statt Bildungschancen über unterschiedliche Bildungswege zuzuweisen, fordern wir inklusive Schulformen, die längeres gemeinsames Lernen ermöglichen.
- Schule sollte so organisiert sein, dass die sozialen Unterschiede nicht noch verstärkt, sondern möglichst ausgeglichen werden. Deshalb soll die Eigenarbeit der Kinder nicht im familiären Bereich bleiben (Hausaufgaben). Im schulischen Alltag müssen dafür Raum und Zeit geschaffen werden. Jedes Kind muss die Möglichkeit haben, eine Ganztagsschule zu besuchen. Solange das nicht gewährleistet ist, fordern wir einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule.
Die Gemeinschaftsschule fördert die Kinder individuell und umfassend. Private Nachhilfe und Hausaufgaben werden überflüssig. Die Gemeinschaftsschule hat einen hohen inhaltlichen Anspruch, fördert Stärken und gleicht Nachteile aus. Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an. Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sollen in multiprofessionellen Teams zusammenwirken. Die Gemeinschaftsschule ist demokratisch organisiert mit einer wirklichen Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern.
DIE LINKE will eine inklusive Schule, in der alle Kinder und Jugendlichen willkommen sind. Die inklusive Schule steht auch für die uneingeschränkte Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Heute werden viele besondere Förderbedarfe festgestellt, es werden aber keine adäquaten Hilfen für diese Förderbedarfe angeboten. Das muss sich ändern. Inklusion ist für uns eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, alle müssen gleichberechtigt dazugehören und teilhaben können.
- Bund, Länder und Kommunen müssen dafür ein Investitionsprogramm »inklusive Bildung« auflegen, um Bildungseinrichtungen umfassend barrierefrei umzubauen und auszustatten.
- Der Rechtsanspruch auf inklusive Bildung und das Recht auf das gemeinsame Lernen in einer Regelschule gehört in jedes Schulgesetz. Alle Schulen müssen über barrierefreie Zugänge für alle Kinder verfügen, die nicht nur auf die baulichen Voraussetzungen beschränkt werden dürfen. Sie müssen über eine adäquate Ausstattung und Qualifizierung an Personal, Assistenzleistungen, Lehr- und Lernmitteln sowie sonstigen Hilfsmitteln für jedes Kind verfügen. Wir wollen ein Zwei-Lehrerinnen- bzw. Zwei-Lehrer-System umsetzen, als eine der Rahmenbedingungen, mit der wir Förderschulen überflüssig machen. Inklusion darf nicht davon abhängig gemacht werden, wie viel sie kostet!
- Tausende geflüchtete und andere zugewanderte Kinder und Jugendliche gehen in Deutschland in die Schule oder machen eine Ausbildung. Wir wollen ein Bund-Länder-Programm »Sofortmaßnahmen in der Bildung«. Es muss vom Bund mitfinanziert werden und umfasst Aus- und Weiterbildung von zusätzlichen Lehrkräften, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten, eine Erstausstattung an Schulbedarf für alle Kinder, zusätzliche Sprach- und Alphabetisierungskurse auch für geflüchtete Erwachsene und Informationen zu Berufsausbildungen, die für Geflüchtete in der Bundesagentur für Arbeit angeboten werden. Den Kommunen müssen dafür entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Eine mehrsprachige Sozialisation wird in Deutschland nur bei ökonomisch als wichtig erachteten Sprachen geschätzt. Wir hingegen sehen die Mehrsprachigkeit auch bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund als ein Qualifikationsmerkmal. Die Muttersprache beim Erlernen weiterer Sprachen einzubeziehen ist wichtig, um in diesen Sprachen einen sicheren Stand zu erwerben.
- Schulsozialarbeit muss ein fester Bestandteil von schulischer Arbeit werden – an jeder Schule und dauerhaft. Dafür muss sie im Jugendhilferecht verankert werden.
- Der Personalmangel an Schulen führt zu Unterrichtsausfall und Stress. Das Personal muss Engpässe mit regulär beschäftigten Lehrkräften ausgleichen können. Um die Personalnot an Schulen zu beenden, müssen deutlich mehr Lehrkräfte ausgebildet und eingestellt werden.
- Viele Sporthallen und Schwimmbäder sind baufällig, müssen gesperrt werden oder sind es schon, weil gespart werden muss. Hier wollen wir sanieren und in barrierefreie, energieeffiziente und schön gestaltete Schulräume investieren!
- Wir wollen Lobbyismus in Schule und Unterricht unterbinden. Interessengruppen dürfen dort nicht aus kommerziellen Gründen aktiv sein. Kommerzielle Werbung an Schulen muss gesetzlich untersagt werden. Schulen müssen besser mit Lehrmitteln ausgestattet werden. Lehrkräfte sollten nicht länger aus Finanznot gezwungen sein, auf externes Unterrichtsmaterial zurückgreifen zu müssen. DIE LINKE will freie, nichtkommerzialisierte Lehr- und Lernmaterialien für den gesamten Bildungsbereich mit Bundesmitteln fördern.
- Bildung ohne Bundeswehr! Die Bundeswehr soll nicht mehr in Schulen oder Universitäten werben oder auftreten dürfen. Stattdessen brauchen wir mehr politische und friedenspädagogische Bildung durch Lehrkräfte.
- Alle Lehrämter sollen gleichgestellt werden.
- Wir wollen Demokratie, Selbstverwaltung und die Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler an den Schulen stärken.
Gut ausgebildet
Jedes Jahr werden etwa 80.000 junge Menschen in Deutschland bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz vertröstet. Sie finden keinen Ausbildungsplatz mit Perspektive oder hängen in endlosen Warteschleifen fest. Besonders Hauptschülerinnen und Hauptschüler und Migrantinnen und Migranten werden benachteiligt. Eine Studie des DGB hat gezeigt: Es gibt nicht zu wenig qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber, wie die Arbeitgeber behaupten. Rund 283.000 Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen, gehen leer aus. Mehr als die Hälfte der Auszubildenden klagt über zu hohe Belastung, viele gehen auch krank zur Arbeit oder werden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Die Bedingungen und die Qualität der Ausbildung müssen dringend verbessert werden. Weil der Ausbildungsmarkt immer noch in sogenannte Frauen- und Männerberufe gespalten ist, sind die Hürden für Jugendliche groß, eine untypische Berufswahl zu treffen.
DIE LINKE setzt sich für ein Recht auf eine gebührenfreie und vollqualifizierende Ausbildung für alle ein. Anonymisierte Bewerbungsverfahren sollen sicherstellen, dass alle die gleichen Chancen auf eine Ausbildung haben.
- Wir wollen eine solidarische Umlagefinanzierung, die alle Betriebe in die Pflicht nimmt, damit ausreichend duale und qualitativ hochwertige Ausbildungsplätze geschaffen werden (vgl. Kapitel I »Gute Arbeit«).
- Auszubildende brauchen eine Ausbildungsvergütung, die zum Leben unabhängig von den Eltern reicht. Darum fordern wir eine gesetzlich geregelte Mindestausbildungsvergütung vergleichbar dem gesetzlichen Mindestlohn. Wir unterstützen die Gewerkschaften und Gewerkschaftsjugenden bei ihrem Kampf um bessere tarifvertragliche Lösungen. Die Ausbildung in den Berufen, die nicht dual geregelt sind, muss besser finanziert werden.
- Am Ende von berufsvorbereitenden Maßnahmen muss ein verbindliches Ausbildungsangebot stehen.
- Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung sollen einen anerkannten Berufsabschluss machen können – unabhängig von ihrem Alter.
- Wir wollen eine grundlegende Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), in der die Verbesserung der Ausbildungsqualität in den Mittelpunkt gerückt und ein Rechtsanspruch auf eine vollqualifizierende Ausbildung verankert wird.
- Die Mitbestimmung der Auszubildenden wollen wir stärken. Ihre Mitwirkung in den Personalvertretungen muss garantiert werden.
- Wir wollen einen Berufsschulpakt, damit längst überfällige Investitionen für gute Qualität an beruflichen Schulen getätigt werden.
- Politische Bildung muss auch Teil der beruflichen Ausbildung sein.
- Die Lehr- und Lernmittelfreiheit muss im Berufsbildungsgesetz verankert werden.
Gute Weiterbildung
Wir setzen uns für lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen ein: als Angebot, nicht als Pflicht zur Selbstoptimierung! Die allgemeine, kulturelle, politische und berufliche Weiterbildung ist ein wichtiger Teil davon. Sie dient der Entwicklung der Einzelnen und der beruflichen Fortbildung oder Umorientierung und befördert die gesellschaftliche Teilhabe. Mit den Volkshochschulen haben auch die Kreise und kreisfreien Städte ein Instrument an der Hand, das unabhängig vom Profitinteresse privater Bildungsanbieter dafür geeignet ist, auch für das Nachholen von schulischen Abschlüssen. Dazu sollen die Volkshochschulen finanziell gestärkt werden, damit sie ihr Leistungsangebot ausbauen und kostenfrei anbieten können. Besonderes Augenmerk richten Volkshochschulen darauf, dass Angebote zur sprachlichen Förderung von Zugewanderten erbracht werden. Monatelange Wartezeiten auf einen freien Platz sind inakzeptabel. Wir wollen berufliche Weiterbildung erleichtern. DIE LINKE will zudem eine Bildungsfreistellung für alle Beschäftigten gesetzlich sichern, nicht nur für die berufliche Weiterbildung (vgl. Kapitel I »Gute Arbeit«).
In der Weiterbildung sind die Arbeitsverhältnisse oft prekär.
- Lehrkräfte in der Weiterbildung brauchen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle Bereiche der Weiterbildung.
- Honorarverträge sollen in feste Stellen umgewandelt werden. Honorarverträge, soweit sie noch nötig oder von den Beschäftigten gewollt sind, müssen an die Konditionen in diesem Tarifvertrag angepasst werden. Das gilt auch für Lehrkräfte in den Sprach- und Integrationskursen.
- Die Arbeitsagenturen und andere öffentliche Auftraggeber müssen bei der Vergabe die Qualität von Bildung und eine gute Bezahlung der Lehrkräfte in den Mittelpunkt stellen. Bei der Vergabe von Bildungsdienstleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit sollen die geltenden tariflichen Bestimmungen für alle Anbieter verbindlich sein.
- Volkshochschulen und andere öffentlich geförderte Weiterbildungseinrichtungen müssen ausreichend und dauerhaft finanziert werden. Lehrkräfte dürfen sich nicht von einem befristeten Projekt zum nächsten hangeln müssen.
Demokratische Hochschule und kritische Wissenschaften
Seit Jahren werden die Hochschulen und Universitäten unter dem Druck der öffentlichen Finanzierungssysteme zur unternehmerischen Hochschule ausgebaut. Das Ziel ist, Wissen, Bildung und Forschung wirtschaftlich verwertbar zu machen.
Das lehnen wir ab. Durch die chronische Unterfinanzierung bleibt der Raum für unabhängige und gesellschaftskritische Forschung und Lehre und damit eine wesentliche Funktion von Wissenschaft auf der Strecke. Forschung ohne Drittmittel ist kaum noch möglich. Das Studium ist von Leistungsdruck und Zeitdruck geprägt. Viele werden durch Zugangshürden ausgeschlossen. Das ist politisch gewollt. Es muss aber nicht so bleiben. Dass es sich lohnt zu kämpfen, hat die Abschaffung der regulären Studiengebühren gezeigt. Nach langen Protesten wurden die Gebühren nach und nach in allen Bundesländern abgeschafft, zuletzt 2013 in Bayern. Hier wollen wir anknüpfen und gemeinsam mit Studierenden und Lehrenden dafür streiten, die Studien- und Arbeitsbedingungen an den Universitäten und Fachhochschulen zu verbessern. DIE LINKE setzt sich für eine soziale, demokratische, offene und solidarische Hochschule ein.
- Zugangs- und Zulassungsbeschränkungen wie Numerus Clausus, Auswahlgespräche, IQ-Tests oder Bewerbungsgespräche müssen überwunden werden. Wir schlagen dazu ein Hochschulzulassungsgesetz vor. Die Zugangsmöglichkeiten für Menschen ohne Abitur müssen verbessert werden.
- Der Zugang zum Master muss zulassungsfrei sein. Dafür müssen Masterstudienplätze bedarfsgerecht ausgebaut werden.
- Im CDU/SPD-regierten Sachsen und unter der Führung des grünen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, wurden Studiengebühren teilweise wieder eingeführt. Diese Hochschulpolitik befördert Ausgrenzung. Dem stellen wir uns entgegen. Jegliche Form von Studiengebühren für Menschen mit und ohne deutschen Pass schaffen wir ab. Wir schlagen dazu ein Bundesgesetz zur Hochschulzulassung vor.
- DIE LINKE bleibt bei ihrer Kritik am neoliberalen Bologna-Prozess. Wir setzen uns daher für ein emanzipatorisches, demokratisch organisiertes, interdisziplinäres und kritisches Studieren ein, das die Fehler des aktuellen Bachelor-Master-Systems behebt. Die Möglichkeiten für einen Hochschulwechsel und ein Auslandsstudium müssen verbessert werden.
- Wir wollen die inklusive und barrierefreie Hochschule.
- Wir wollen die Hochschulen für Geflüchtete öffnen. Dafür müssen zusätzliche Studienplätze geschaffen werden und im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse schnell und unbürokratisch anerkannt werden. Die Aufnahme eines Studiums muss das Bleiberecht sicherstellen und vor Abschiebung schützen.
Demokratisierung der Hochschulen: Wir streiten bundesweit für verfasste Studierendenschaften mit allgemeinpolitischem Mandat. Hochschulgremien sollen paritätisch besetzt werden, so dass alle Statusgruppen, auch die Studierenden, gleich stimmberechtigt vertreten sind.
Statt einseitiger Stärkung der Hochschulleitung brauchen wir eine Stärkung der demokratisch durch alle Hochschulangehörigen gewählten Hochschulgremien. Gremien, die sich an Aufsichtsräte anlehnen – wie Hochschulräte – gehören abgeschafft. Stattdessen wollen wir Beiräte schaffen, die aus der Zivilgesellschaft besetzt werden. Den demokratischen Austausch der Hochschule mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Sozialverbänden wollen wir stärken.
- Wir wollen, dass sich Studierende an den Hochschulen organisieren können. Hochschulen sollen offene Orte der gesellschaftlichen Debatte sein. Das muss Vorrang vor kommerzieller Nutzung der Hochschulräume haben.
- Inhalte von Lehre und Forschung orientieren sich immer stärker an wirtschaftlicher Verwertbarkeit und Konzerninteressen. Wir wollen ein vielfältiges Angebot und setzen uns für kritische Wissenschaft und Lehre ein, die im Sinne einer sozial gerechten, ökologisch nachhaltigen und friedlichen Welt eingreift.
- Die Hochschulen werden zu einem wesentlichen Teil durch nichtwissenschaftliches Personal in der Verwaltung, dem Gebäudemanagement und dem Forschungsbetrieb mitgetragen. Wer von Arbeitsbedingungen an Universitäten spricht, darf diesen Teil der Beschäftigten nicht vernachlässigen. Sie sind gleichermaßen von den Reformen der letzten Bundesregierungen mit benachteiligt worden.
Wir wollen gute Arbeitsbedingungen für Studierende und wissenschaftliches Personal. Dazu muss die Unterfinanzierung der Hochschulen beendet werden.
- Der Bund muss Verantwortung für die Grundfinanzierung der öffentlichen Hochschulen übernehmen. Wir wollen den Hochschulpakt entfristen und zu einem Dauerzuschuss weiterentwickeln. Statt einseitiger Exzellenz-Förderung benötigen wir eine öffentliche Ausfinanzierung. Die Exzellenzinitiative muss eingestellt und die Mittel müssen für die Grundfinanzierung verwendet werden.
- Investitionen in die soziale Infrastruktur: Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau muss wieder im Grundgesetz verankert und ein Sonderprogramm für den Neubau von Wohnheimplätzen gestartet werden. Die Lehre soll durch eine Grundfinanzierung gesichert werden, die sich an der Zahl der tatsächlichen Studienanfänger und an den Kosten des Studienplatzes bemisst.
- Das BAföG muss an die Lebenswirklichkeit angepasst werden und die Ausbildung umfassend finanzieren. Wir setzen uns für ein elternunabhängiges, rückzahlungsfreies BAföG in Höhe von 1.050 Euro netto ein. Der BAföG-Fördersatz muss regelmäßig und automatisch an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden. Wir wollen die Altersgrenzen beim BAföG abschaffen und die Bezugsdauer an die reale durchschnittliche Studiendauer anpassen. Ebenso muss die Koppelung des BAföG an Leistungsüberprüfungen abgeschafft werden. Förderlücken müssen geschlossen werden. Menschen mit Duldung, Aufenthaltsgestattung und mit humanitären Aufenthaltstiteln müssen mit Aufnahme des Studiums oder der Ausbildung Zugang zur Ausbildungsförderung haben. Das Deutschlandstipendium hat sich als Flop erwiesen. Lediglich 0,6 Prozent der Studierenden profitieren von dieser Fördermöglichkeit. Die Bundesmittel des Deutschlandstipendiums wollen wir stattdessen zur Finanzierung des BAföG nutzen.
Gute Wissenschaft braucht gute Arbeit. Dazu muss der wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Unter- und Mittelbau gestärkt werden. Daueraufgaben müssen durch Dauerstellen bearbeitet werden. Prekäre Arbeit, Lehre zu Dumping-Vergütung und die Ausbeutung von Lehrbeauftragten und nichtwissenschaftlichen Beschäftigten lehnen wir ab. Die Honorare für Lehraufträge wollen wir erhöhen, sie müssen auch die Vor- und Nachbereitung abdecken. Lehraufträge sollen das Lehrangebot ergänzen. Lehranteile in Forschungs- und Qualifizierungsverträgen müssen begrenzt werden. Zentrale Lehraufgaben müssen auf festen, unbefristeten Stellen geleistet werden. Die Anzahl von Lehraufträgen wollen wir zugunsten von regulären Arbeitsverhältnissen verringern.
- Schluss mit den Ketten-Befristungen. Das Sonderbefristungsrecht für wissenschaftliches Personal unterhalb der Professur wollen wir abschaffen. In einem ersten Schritt müssen die erfolgten Verbesserungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz konkretisiert und ausgebaut werden. Das betrifft zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
- Wir fordern ein bundesfinanziertes Anschubprogramm, mit dem 100.000 unbefristete Stellen geschaffen bzw. existierende Stellen entfristet werden. Die Mindestvertragslaufzeiten für Drittmittelstellen und in der Qualifizierung sollen der Dauer der bewilligten Finanzierung entsprechen. Statt von einzelnen Professorinnen und Professoren abhängig zu sein, soll der wissenschaftliche Nachwuchs Abteilungen (Departments) zugehören. Qualifikationsstellen von Doktorandinnen und Doktoranden müssen mit 100 Prozent vergütet werden.
- Wir brauchen einen flächendeckenden Tarifvertrag für studentische Beschäftigte.
- Frauen stärken: Wir wollen eine 50-prozentige Frauenquote auf jeder Karrierestufe durchsetzen und das Professorinnen-Programm zu einem Programm für die Förderung von Frauen auf allen Karrierestufen weiterentwickeln.
- Das duale Studium muss öffentlich-rechtlich akkreditiert werden und zu gleichwertigen Abschlüssen führen. Dual Studierende müssen einen Ausbildungsvertrag mit einer Mindestvergütung bekommen. Der Zugang zum dualen Studium muss ohne Abitur möglich sein.
Transparente Forschung und gesellschaftliche Verantwortung
- Kooperationsvereinbarungen, Sponsoring und sonstige Verträge zwischen öffentlichen Hochschulen und privaten Unternehmen und Stiftungen müssen offengelegt werden. Sie nehmen direkt oder indirekt Einfluss auf Wissenschaft.
- Um urheberrechtlich geschützte Werke für Zwecke der Bildung, Forschung und Lehre frei zugänglich zu machen, wollen wir eine allgemeine Ausnahme (Wissenschaftsschranke) für Bildung und Forschung im Urheberrecht verankern. Das Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler muss von den engen einschränkenden Vorgaben befreit werden, damit die Nutzungsrechte nicht exklusiv durch Verlagsunternehmen angeeignet werden können.
- Informationen und wissenschaftliche Erkenntnisse, die mit Steuermitteln erarbeitet wurden, müssen allen zu Verfügung stehen. Daher setzen wir uns für Open-Access-Strategien zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und zum Zugang zu Forschungsdaten ein. Wir fördern eine Open-Science-Kultur und wollen bedürfnis- und teilhabeorientiertes wissenschaftliches Arbeiten ermöglichen. Nutzungs- und Publikationsgebühren an Verlage, die über transparent gemachte Satz- und Lektoratsarbeiten hinausgehen, wollen wir verbieten. Die Paketverhandlungen von Forschungseinrichtungen mit einzelnen Großverlagen lehnen wir ab.
- Forschung für Frieden statt für Krieg und Rüstungsindustrie: Wir fordern die Verankerung von Zivilklauseln an allen Hochschulen und allen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie die Förderung von Friedensforschung.
Forschung und Wissenschaft müssen zur Lösung von sozialen Spaltungen, zum Wandel von Klima und Umwelt beitragen. In diesem Sinne wollen wir die milliardenschwere Innovations- und Technologieförderung des Bundes, auch die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierte außeruniversitäre Forschung, strategisch ausrichten. Neben technischen sind dabei besonders soziale Innovationen wichtig. Wir wollen diese Forschungslandschaft stärker mit der Arbeit der Hochschulen verknüpfen. Ein transparentes System von öffentlicher Steuerung ist notwendig. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für eine planbare Lebensperspektive für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und technisches Personal mit weniger befristeten Verträgen ist auch in der außeruniversitären Forschung unerlässlich. Wir wollen Open Access als Veröffentlichungsstandard bei überwiegend öffentlich geförderter Forschung.
Zugang zu Bildung für alle, auch digital
Die Digitalisierung bietet die Chance, vielen Menschen einen schnellen Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Das geschieht aber nicht von selbst, sondern muss durchgesetzt werden.
Wir wollen stärker Kompetenzen im Bereich Medien und Information vermitteln. Ein selbstbestimmter und kritischer Umgang mit digitalen Technologien und dem Internet sind mit Bildung verbunden.
- Der Ausbau der IT muss einhergehen mit der Ausbildung und mit Fortbildungsangeboten für Lehramtsstudierende und die aktiven Lehrkräfte.
- Digitale Medien dürfen nicht zum Einfallstor für Privatisierung der Bildung durch private kommerzielle Anbieter, Unternehmen oder Verlage sein. In Bildungseinrichtungen eingesetzte Software sollte Freie Software sein, die Hardware sollte nach Möglichkeit offen spezifiziert sein.
- Wir wollen, dass jedes Kind ein mobiles Endgerät als Teil der Bildungsausstattung zur Verfügung hat und frühzeitig und regelmäßig mit den Prinzipien der digitalen Technologien (etwa Funktionsweise von Speichern, Sensoren, Programmierkenntnissen) vertraut gemacht wird. Deshalb brauchen Schulen kostenlose Leihgeräte für alle, die sich selbst keines leisten können.
- Die IT-Infrastruktur an Schulen muss durch Fachpersonal betreut werden. Entsprechende Planstellen sollen kurz- und mittelfristig geschaffen werden.
Die IT-Infrastruktur aller Schulen und Hochschulen muss mit schnellen und leistungsfähigen Breitbandanschlüssen, WLAN für alle und einer zeitgemäßen Hard- und Software-Ausstattung ausgebaut werden.