IX. Für eine vielfältige, partizipative und allen zugängliche Kultur
Kultur eröffnet neue Räume im Denken und Handeln und wirft immer wieder die Frage auf: Wie wollen wir zusammen leben? Kultur und Kunst ermöglichen Kommunikation und Verständigung, Bildung, Freiheit und Selbstvergewisserung. Fantasie und Kreativität zeigen, dass wir uns mit der Realität nicht abfinden müssen, sondern sie gestalten können. DIE LINKE tritt für eine demokratische Kultur ein, in der alle in Deutschland Lebenden, unabhängig von ihrer Herkunft, ihre kulturelle Identität finden und ausdrücken können. Wir werden das kulturelle Leben fördern in allen Milieus und Regionen, in Metropolen und in ländlichen Räumen, in Kulturinstitutionen und freier Szene, als Basis für die Verständigung zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft.
Kürzungen der Kulturförderung, Schließungen oder Privatisierungen von öffentlichen Einrichtungen und ein massiver Personalabbau haben den öffentlichen Kultursektor geschwächt. Kommerzielle Angebote sind nicht für alle Menschen zugänglich und häufig nicht demokratisch gestaltet. Die wirtschaftlichen und sozialen Risiken für die Kulturschaffenden haben sich vergrößert. Ihre Situation ist zunehmend von sozialer Unsicherheit sowie geringen und schwankenden Einkünften gekennzeichnet. Digitalisierung und die wachsende Kreativwirtschaft haben den Charakter der Arbeit verändert: Mehr zeit- und ortsungebundenes Arbeiten ermöglicht mehr Selbstbestimmung und Zeitsouveränität. Aber die Gefahr der (Selbst-)Ausbeutung wächst. Befristete Beschäftigungsverhältnisse und Soloselbstständigkeit lösen das alte Normalarbeitsverhältnis zunehmend ab. DIE LINKE will gute Arbeitsbedingungen, die Stärkung des Öffentlichen und mehr Demokratie auch im Bereich der Kultur durchsetzen:
- Kultur ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Eine kommunale Haushaltsnotlage darf nicht zur Schließung von Kultureinrichtungen führen. Wir wollen gute Rahmenbedingungen für Archive, Bibliotheken, Kinos, Museen, Musik- und andere Kunstschulen, Opernhäuser, Orchester, soziokulturelle Zentren, Theater, Tanz, Volkshochschulen und die vielfältigen Vereine schaffen. Kultureinrichtungen, freie Szene und die vielfältigen Akteure kultureller Bildung in den Metropolen wie in den ländlichen Räumen brauchen eine sichere finanzielle und personelle Basis und längerfristige Planungsmöglichkeiten.
- Wir setzen uns für eine grundlegend andere Kulturförderung ein: Statt Druck durch die Ökonomisierung wollen wir eine solide, nicht produkt-, sondern prozessorientierte Grundfinanzierung. Sie soll genügend Freiräume für Projektentwicklung bieten und die Kulturschaffenden – ob angestellt oder freischaffend – sozial absichern.
- Für öffentliche Bibliotheken muss der Medienerwerb in den Händen der jeweiligen Einrichtung liegen. Eine Privatisierung durch Überlassung dieser Aufgabe an externe Dienstleister lehnen wir ab.
Wir streiten für gute, existenzsichernde Arbeit, ein neues Normalarbeitsverhältnis und soziale Sicherung im Kulturbereich (vgl. Kapitel I »Gute Arbeit«).
- Wir wollen die Vergabe öffentlicher Fördermittel an eine gute, existenzsichernde Vergütung, gute Arbeitsbedingungen und Gendergerechtigkeit koppeln. Wir streiten für branchenspezifische Mindesthonorare und Ausstellungshonorare für bildende Künstlerinnen und Künstler. Wir unterstützen den Erhalt von Ensemble-Theatern, damit Theater konstante politische Akteure in der Stadtgesellschaft bleiben können.
- Wir wollen die Verhandlungsmacht der Kreativen im Urhebervertragsrecht stärken.
- Die Künstlersozialkasse muss erhalten und ausgeweitet werden. Wir wollen neu entstandene Tätigkeitsfelder einbeziehen und den Bundeszuschuss erhöhen.
- Wir streben die Einbeziehung von (Solo-)Selbstständigen in unsere solidarischen Versicherungsmodelle (Gesundheit, Erwerbslosigkeit, Rente, Pflege) an.
- Die Verwertungsgesellschaften wollen wir reformieren und die Mitbestimmungsrechte der Kreativen verbessern.
Wir wollen Kulturgüter digital sichern und für alle zugänglich machen. Dafür brauchen wir eine gesamtstaatliche Digitalisierungsstrategie.
- Wir setzen uns für eine Open-Access-Strategie auch im Kulturbereich ein. Wir schaffen Möglichkeiten und Anreize für Kultureinrichtungen, ihre digitalen Veröffentlichungen unter freie Lizenzen zu stellen. Die Kooperation mit der Deutschen Digitalen Bibliothek wollen wir ausbauen.
- Wir wollen Filme auf Dauer bewahren und zugänglich machen.
- Für öffentliche Bibliotheken wollen wir den Verleih digitaler Medien vereinfachen.
DIE LINKE steht für einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang zur Kultur. Wir wollen Räume für Dialog und trans-kulturellen Austausch schaffen. Wir wollen Unterschiede nicht leugnen, sondern produktiv machen. Wir wollen das gegenseitige Verständnis und einen Perspektivwechsel befördern.
- Der Eintritt in vom Bund geförderte Museen und Sammlungen muss perspektivisch kostenfrei sein. Wir wollen das museumspädagogische Personal aufstocken.
- Kultureinrichtungen müssen barrierefreie und inklusive Angebote unterbreiten.
- Die Erfahrungen von Kultureinrichtungen und Projekten mit inter- bzw. transkulturellen Vermittlungskonzepten gilt es zu nutzen und zu verbreiten.
- Wir fördern und fordern die Produktion und den Schutz von temporären und nichtinstitutionellen, frei zugänglichen Künsten, wie Street Art und Kunst im öffentlichen Raum, in soziokulturellen und selbstverwalteten Zentren.
- Wir setzen uns ein für flächendeckende Kooperationen zwischen Schulen und Kunst-Institutionen sowie freien Künstlerinnen und Künstlern.
Wir wollen die Bundeskulturförderung neu strukturieren. DIE LINKE stellt sich gegen die Ökonomisierung und Privatisierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge. Wir bestehen auf der Einhaltung der UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt bei internationalen Handelsabkommen.
- Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern muss beendet werden. Wir wollen Kultur als Gemeinschaftsaufgabe und Staatsziel im Grundgesetz. Damit wollen wir den kooperativen Kulturföderalismus stärken.
- Wir wollen einen Bundeskulturminister bzw. eine -ministerin mit Kabinettsrang und ein Kulturministerium, um die Belange der Kultur gegenüber anderen Ressorts sowie auf europäischer Ebene wirksamer vertreten zu können.
- Länder und Kommunen müssen ausreichend Mittel erhalten, damit sie ihren Aufgaben in der Kulturpflege und Kulturförderung nachkommen und eine große Vielfalt der kulturellen Angebote sichern können. Die Ausschöpfung der finanziellen Mittel für Kunst am Bau muss stärker forciert und in den Kommunen mehr publik gemacht werden.
- Wir wollen die Kulturpolitikforschung ausbauen, einen Kulturbericht etablieren und die Kulturförderung des Bundes neu systematisieren.
- Wir wollen die Kulturförderfonds bedarfsgerecht ausstatten und sie als zentrales Instrument der freien Szene stärken.
- DIE LINKE setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass Förderprogramme des Bundes besser mit Landesprogrammen verzahnt werden können.
DIE LINKE steht für eine lebendige und plurale Geschichts- und Erinnerungspolitik. Wir wollen zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert anregen, insbesondere zur Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Wir engagieren uns für eine differenzierte Aufarbeitung der Geschichte der DDR.
- Gedenkstätten wollen wir als Orte des Gedenkens und als zeithistorische Museen stärken. Die Arbeitsbedingungen vor allem des pädagogischen Personals müssen verbessert werden.
- Wir wollen lebendige Erinnerungskulturen fördern, die an den Realitäten der Einwanderungsgesellschaft orientiert sind.
- Wir engagieren uns für demokratische, antifaschistische Kultur und einen kritischen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit.
- Raubkunst der Nazis muss zurückgegeben werden. Dazu bedarf es einer besseren Erforschung der Herkunft der Kunst- und Kulturgüter (Provenienz-Forschung).
- Wir wollen die Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv überführen. Ihre Nutzung muss über das Bundesarchivgesetz geregelt werden.
- Wir wollen die spezielle Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz in die allgemeine Kulturförderung überführen.